Prisma war das innenpolitische Magazin des DDR Fernsehens, ähnlich dem Magazin Monitor der ARD. Es dokumentierte Missstände die in der Republik auftraten.

    Diese Folge hatte mit ca. 30% Zuschaueranteil laut Wikipedia den jemals ermittelten höchsten Zuschaueranteil überhaupt im DDR Fernsehen.

    Themen der Sendung
    00:00 – Das Thüringer Waldgebiet in dem die Mafia regiert
    12:15 – Studiogast Volkskammerabgeordnete Herr Weisgerber im interview
    16:06 – Probleme mit Ringspinn-Maschinen im Strumpfwerek Geyer
    22:55 – Baupfusch an neuen Plattenbauten, am Beispiel Berlin Marzahn in der Nachbarschaft der Albert-Norden-Straße 234
    31:53 – Falsche Lagerung von Erzeugnissen für weiße Ware
    33:13 – Mangelhafte Konsumgüter und fehlende Ersatzteilbeschaffung

    Nach der Sendung folgt noch ein Intro des Gesprächs, das Wolfgang Reichardt mit Volkskammerpräsident Dr. Günther Maloida führte

    Liebe Zuschauer, Probleme, Prozesse, Personen. In einer Aufzeichnung von gestern Abend sehen Sie nun unser Magazin Prisma. Im Studio erwartet Sie Rosi Ebner. Guten Abend, meine Damen und Herren. Noch nie hat Prisma so viel Post bekommen wie in den letzten Wochen. Noch nie wurden die wunden Stellen unserer Gesellschaft so offen bloßgelegt und noch nie wurden die dafür Verantwortlichen mit Name und Hausnummer benannt wie jetzt. Insofern finde ich es nur natürlich, dass viele Zuschriften, die sich an uns richten, sich mit dem Thema beschäftigen, Korruption und Amtsmissbrauch. Und ich möchte Ihnen auch ganz persönlich gestehen, immer wenn ich solche Briefe lese, werde ich von Mal zu Mal wütender und mitunter treibt es mir sogar die Schamröte ins Gesicht. Insofern unterstütze ich voll die Forderung vieler unserer Zuschauer. Prisma darf nicht nur die kleinen Fische an die Angel nehmen. Wenn alle Glocken erklingen, wie toll. Lang, lang ist her, als dieses Lied ein Hit war. Die Sache, der wir nachgehen wollen, ist dagegen hochaktuell. Darauf aufmerksam hat uns Lutz Peter Fischer aus Tambach-Dieterz gemacht. Er schreibt, haben Sie Mut, in unserer Zeit des Aufbruchs eine große Sache an die Öffentlichkeit zu bringen? Das heißt, hier im mittleren Thüringer Wald ist sie mehr oder weniger bekannt. Zwischen Luisental, Tambach-Dietharz und Oberhof gibt es ein ganz normales Waldgebiet, in dem die Mafia regiert. Dort wird man mit Androhung von Strafen in Höhe von 500 Mark und mehr von Zivilpersonen rausgeschmissen, ohne dass diese sich ausweisen. Dieses Waldgebiet wird mit einem Tor verschlossen und an einer weiteren Straße durch Schlagbäume. Neben dem Tor steht ein Schild, Wildeinstandsgebiet, betreten verboten. Wir richten uns heute nicht danach, wir fahren weiter. Durch das Revier 3 der Luisenthaler Oberförsterei. Die Schilder, Wildeinstandsgebiet, Betreten, Verboten finden wir nicht, genauer gesagt, nicht mehr. Dafür aber andere Verbote, die es nicht einmal unter dem einstigen Herzog von Sachsen, Koburg, Gotha gab. Schützt die Eule tatsächlich nur das Birkhuhn? Wer will hier nicht gestört werden? Dann Baumstämme am Waldesrand. Während der diesjährigen Jagdsaison lagen sie auf der Straße als Sperren für jene, die wider Erwarten doch bis hierher vorgedrungen waren. Wer die inzwischen geöffneten Tore doch passierte, stieß auf weitere Hindernisse. Ich bin, wie immer, auf Kontrollfahrt gewesen, Wanderweg, und da kürze ich natürlich auch mal ab auf befestigten Wegen und bin durch dieses Gebiet hier gefahren. Zwar auf einer anderen Straße als auf dieser. Und dort hielt mich eine Zivilperson, so muss ich sagen, mit Jeep an. Die dachum Zivilperson, grünes Hemd und Kniebundhose, die habe ich auch an. und verlangte von mir, was ich hier zu suchen hätte, und daraufhin zeigte ich meinen Dienstausweis als Mitarbeiter des Staatsapparates. Gilt nicht. Meine Sondergenehmigung vom Forst zum Befahren der Waldwege gilt hier schon lange nicht. Und daraufhin zeigte ich Ihnen meinen Dienstauftrag vom Rat des Kreises, weil ich noch eine besondere Aufgabe zu lösen hatte. Das gilt hier auch nicht. Ich sage, ich möchte mal bitte Ihren Dienstausweis sehen. Der geht Sie nichts an. Glück und Sonnenschein ziehen bei dir ein. Uns hat niemand angehalten, ungehindert erreichen wir das Kammerbacher Pirschhaus, so jedenfalls steht es noch in den Wanderkarten. Doch das alte Haus ist fort, an seiner Stelle zwei neue Hütten. Die hintere für das Personal, die vordere für einen einzigen Jagdherrn und das Ganze getarnt als Gästehaus einer Parteileitung. So viel wissen wir schon und wir wissen auch. Für das Haus wurden extra zwei Trafo-Stationen gebaut. Eine unten im Tal und ein Trafo im hinteren Haus. Eine Fußbodenheizung benötigt nun einmal mehr Strom. Wir wollten uns schon den Schlüssel vom Förster holen. Der war doch nicht da. Der wird doch keinen mehr haben. Jetzt haben Sie den. Das ist gut. Wir wollen ein Altersschlüssel einbauen, da ich nicht alle Schlüssel habe. Sie sind praktisch dabei, das zu verwirklichen, was hier steht. Was steht hier? Wir sind das Volk. Gebt uns unser Vertrauen zurück. Das ist folgendes Problem. Morgen brieft die Reflexionskommission. Das heißt, Sie sind von der Bezirksleitung? Ja. Und da ich nicht alle Schlüssel gestern vom Förster bekommen habe, muss ich einen anderen Schlüssel einbauen. Aha. Das machen Sie jetzt. Das heißt, das ist ja gut. Dann kommen wir … Uns öffnet Heinz Klopfer. Bisher hatte er die Finanzen für dieses Haus zu regeln, nun muss er es für eingeleitete Untersuchungen sichern. Ein Widerspruch, mit dem er noch nicht klarkommt. Dann das Haus von innen. Uns verschlug es regelrecht die Sprache, wir hielten den Atem an. Gekostet hat das Haus 700.000 Mark. Finanziert wurde es aus Parteigeldern. Nutznießer war Gerhard Müller, ehemals erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Erfurt. Mich hat auch erregt, dass hier überhaupt sowas entstehen konnte. Für uns Einwohner werden nach und nach immer mehr Waldgaststätten geschlossen. Es werden immer mehr Waldwege gesperrt. Uns wird der Wald immer mehr eingeengt. Und auf der anderen Seite entstehen hier solche Anlagen. Und das ist für mich, auch als jungen Menschen in einem sozialistischen Staat, ist vollkommen schleierhaft, wie es zu solchen Auswüchsen kommen kann. Das passt in keine sozialistische Gesellschaftsordnung. Ich würde sagen, das ist Feudalismus, was wir hier wieder erreicht haben. Heimatland, schönes Land. Heimatland, schönes Land. Und dieses schöne Land bietet noch mehr. Wir entdeckten weitere Häuser, Pirschhäuser für den Jagdherren, wenn er unterwegs war. Und dann, mitten im Wald, ein Wildacker. Gesätes Korn, damit das liebe wilde Vieh schön fett wird. Selbst die Hirsche hatten hier Privilegien, bis sie abgeschossen wurden. Wildacker, Pirschhäuser, eiserne Tore, Verbotsschilder und ein Schlagbaum, das alles fanden wir in diesem Jagdgebiet 1600 Hektar groß. Angelegt rund um die Jagdhütte auf dem Kammerbach. Revierförster dieses Gebiets ist Peter Herz. Wenn die Informationen stimmen, wollte ich Sie mal gerne fragen, wieso Sie als Revierförster zugelassen haben, dass ein volkseigener Wald von dieses Ausmaß praktisch Privatbesitz geworden ist und Sie daran mitgewirkt haben. Also wissen Sie, ich weiß zwar nicht, wo Sie Ihre Informationen hier haben. Ich kann Ihnen dazu nur eins sagen. Das ist also ein Teil des Gästehauses der Bezirksleitung Erfurt. Ich habe damit nichts zu tun. Ich bin dort zwar der Revierförster. Sie müssen sich dann schon an die zuständigen Leute in Erfurt wenden. Aber Sie haben damit nichts zu tun. Es ist ja bekannt, dass Sie auch beim Jagen mit dabei waren. Sie können sich gar nicht Unwissen stellen heute. Das ist richtig, aber ich möchte da jetzt… Da ist schon so viel… Es sind so viele Dinge verbreitet worden, die nicht stimmen usw. Was Sie dort gesehen haben, oben am Kambach, und wenn Sie das mal mit unserem Parteistatut vergleichen, sind Ihnen da keine Gedanken gekommen? Hat da nicht mal irgendwann an das Gewissen angefangen zu schlagen? Na, wissen Sie, ich muss Ihnen mal dazu sagen, ich kenne… Ich bin ein Mensch, der viel reist, ja, von jung an. Ich kenne viele Objekte in unserer Republik. Viele Objekte. Ich kenne sehr viele schöne Objekte. und kenne sehr viel größere Objekte, muss ich mal sagen. Sie meinen, das ist ein kleiner Fisch? Das ist, wollen wir sagen, im Verhältnis, das ist meine persönliche Auffassung, im Verhältnis zu anderen Objekten, na, das Urteil müssen Sie sich selber finden. Zum Interview noch zwei Fakten. Der Revierförster war Kandidat der Bezirksleitung der SED Erfurt und er ging zusammen mit Gerhard Müller auf Jagd. Im Jagdgebiet auch eine neue Straße aus Bitumen, sieben Kilometer lang. Ihr Verlauf entstand auf Empfehlung der SED-Bezirksleitung ganz im Sinne des Jagdherren. Sicher, diese Straße ist auch für die Forstwirtschaft von Nutzen, aber an anderen Stellen wäre sie viel nötiger gewesen. Gebaut wurde sie auf Staatskosten für über eineinhalb Millionen Mark. Die Straße im Wald, nach diesem Kammer war ein Pirschhaus, hat die Gemüter unserer Bürger natürlich sehr erregt, kann man sich vorstellen. Wir als Ratsmitglieder haben, nachdem wir in Foren und aus Bürgergesprächen darüber Kenntnisse erhalten haben, uns auf den Weg gemacht und haben uns mal die Straße angeschaut und mussten dann mit Entsetzen feststellen, dass dort Volkseigentum in Millionenhöhe eingebaut worden ist. Und für Anwohner und Bürger unserer Stadt, der Thüringer Ausflugsgemeinde, mit viel, viel Urlauberverkehr, ist man nicht einmal in der Lage, eine Straße im Wertumfang von vielleicht 200.000 bis 300.000 Mark im Schutz zu halten. Die Erregung vieler ist allzu gut zu verstehen und sie erreichte den Siedepunkt, als die Erfurter Bezirkszeitung Ende Oktober über ein Forum berichtete. Vor 2000 Bürgern sagte der ehemalige 1. Bezirkssekretär der SED. Das einzige Privileg, das wir haben, ist zu arbeiten. Für unser Land, für unser Volk. Ich bin Funktionär meiner Partei. Ich bin für die Partei mit dem Fahrrad gefahren und mit anderen Autos. Diese Verlogenheit war für uns Anlass, auf ein Interview mit Gerhard Müller zu verzichten. Kleines Haus am Walde Morgen komm ich bald Denn alle Glocken erklingen im Tal Glück und Sonnenstein ziehen bei dir ein Das alles gibt’s nur ein einziges Mal Leider gibt es das eben nicht nur ein einziges Mal. Ich bin genauso erschüttert und empört wie Sie. Ich finde es skandalös, dass es Leute gibt, die unser Vertrauen und unser Allereigentum missbrauchten und die sich heute noch Genosse nennen können. Insofern bin ich sehr froh, dass am letzten Sonnabend in der Volkskammer ein Ausschuss gegründet wurde, der sich mit diesen Vorkommnissen zu beschäftigen hat. Mein Studiogast ist der Volkskammerabgeordnete Herr Weisgerber. Sie sind als Mitglied Ihrer Partei der DBD in diesem Ausschuss delegiert worden. Und vielleicht können Sie uns die Frage beantworten, wie wird denn in einem solchen Falle nun verfahren, wie wir es gerade im Film gesehen haben? Ja, Frau Ebner, ich bin genauso enttäuscht wie viele unserer Zuschauer über dieses hier gezeigte Beispiel. Und ich möchte sagen, dass das in keiner Weise gerechtfertigt ist, weil es sich hier um Vergeudung von Volksvermögen handelt, das weder materiell noch finanziell zu verantworten ist. Der Ausschuss, der in der Volkskammer auf Antrag meiner Partei gebildet wurde, der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands, wird diese und viele andere Fälle, denn das soeben Gesehene und Gehörte ist noch lange nicht die Spitze des Eisberges. Dieser Ausschuss wird sich mit solchen Fällen, wo also durch Eingaben der Bürger, durch Hinweise Dinge bekannt gegeben werden, die sich mit Amtsmissbrauch, mit Korruption und mit persönlicher Bereicherung beschäftigen, untersuchen. Könnten Sie eventuell schon, weil Sie sagen, das ist nur die Spitze des Eisberges, ein paar größere Brocken nennen? Selbstverständlich kann ich das. Der Ausschuss wird sich vordringlich und schon in Vorbereitung der nächsten Volkskammertagung am 1. Dezember mit Fällen, wo es sich um ehemalige Mitglieder des Politbüros der SED handelt, und auch von Spitzenfunktionären im Staatsapparat der DDR, besonders in einigen Ministerien, beschäftigen und Entscheidungsfindungen vorlegen, die sicherlich dann durch den Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik zu untersuchen und zu entscheiden sein werden. Wie viele Anträge liegen denn schon auf dem Tisch des Ausschusses? Meines Wissens haben wir mit dem gestrigen Datum 170 solcher Eingaben und Hinweise aus der Bevölkerung erhalten, die gegenwärtig in entsprechenden Arbeitsgruppen aufgearbeitet, untersucht werden. und in der nächsten Beratung des Ausschusses kommenden Donnerstag schon zur Entscheidung stehen. Ich glaube, das wird unsere Zuschauer ganz besonders interessieren, denn in vielen Gesprächen habe ich doch so die Befürchtung rausgehört, es geht alles sehr, sehr langsam und damit ist auch die Befürchtung da, dass doch manches noch vertuscht werden könnte. Natürlich haben unsere Bürger recht, wenn sie sagen, es geht alles sehr langsam. Aber ich bitte doch um Verständnis darüber, dass alle diese Fälle sehr gründlich untersucht werden müssen. Es handelt sich natürlich um eine Fülle solcher Dinge. die auf zentraler Ebene liegen und deswegen wäre ich sehr dafür zu überlegen, ob man nicht auch solche Ausschüsse oder Kommissionen in den örtlichen Staatsorganen bilden könnte, die solche Fragen dann, wenn es das Territorium betreffen, auch örtlich klären, weil wir uns außerstande fühlen, diese vielen Dinge in einer sehr kurzen Zeit zu bearbeiten. Aber eins kann ich versichern, dass alle Eingaben und alle Hinweise, die wir auf den Tisch bekommen, als Ausschuss der Volkskammer auch bearbeitet und entschieden werden. Ich bedanke mich ganz herzlich und vielleicht können wir uns zu einer gegebenen Zeit noch einmal unterhalten. Das ist sicherlich möglich. Dankeschön. Meine Damen und Herren, es geht weiter in unserer Sendung. Ausgangspunkt auch hier wieder ein Zuschauerbrief. Unterschrieben ist er von Frau Marion Schubert aus Gaia. Es ist ein längerer Brief und ich möchte nicht weiter daraus zitieren, denn es enthält hier. Es ist ein ganzer Themenkatalog aufgelistet und ich möchte es vielleicht auf einen Nenner bringen. Schlamperei und ökonomischer Widersinn. Was ich ganz besonders schlimm finde. Die Frauen fühlen sich alleingelassen. Im Strumpfwerk Geier im Erzgebirge werden Herrensocken hergestellt. Bevor sie aber gestrickt werden können, muss das Garn noch umgespult werden. Dazu stehen hier in der Spulerei seit circa zwei Jahren vier Spulautomaten. Seitdem reißt der Ärger nicht ab. Acht Kolleginnen haben das Kollektiv deswegen schon verlassen. Das größte Problem für die Technologie der Automaten müsste der Anfangsfaden der Kopse, so heißen diese Spulen, oben enden. Doch er endet irgendwo und so müssen die Spulerinnen erst einmal abtriefeln, wie sie es nennen. 3000 Kopse für jede in einer Schicht. Das ist körperlich anstrengend, verursacht Abfall und kostet zusätzliche Zeit. Also praktisch ist es für uns nicht einfacher geworden, sondern schwerer, weil jetzt wir dadurch eben durch das Abtreten die Norm nicht mehr schaffen. Es geht also richtig an Ihr Portemonnaie. Ja, das geht richtig ans Portemonnaie. Und das sehen wir eben nachher nicht ein, warum wir das weiterhin so machen sollen. Und da war eben für uns die eine Reaktion, sich weiterzuwenden. Kann ich da mal dazwischen fragen, warum haben Sie sich denn weitergewandt? Man kann doch das erst mal seinem, seiner BGL, seiner TKO oder Betriebswerksleiter hier sagen. Das haben wir also ein Jahr lang gemacht. Wir sind von Bergleiter bis zur BGL, bis zur Partei, bis Annenberg, bis zur ÖDI. Und die ganzen Jahre hat sich nichts getan. Selbst für den Abfall, der dem Betrieb ökonomisch wehtun müsste, hat sich niemand interessiert. So haben die Frauen ihn auf eigene Faust gesammelt. Da haben wir uns die Arbeit noch gemacht, haben uns noch länger hingestellt, haben das Gewirken aufgeschrieben. Wir mussten ja Fakten haben. Und die Fakten ergaben, an vier Maschinen pro Schicht 32 Kilo. Das Kilo Wollmischkern zum Beispiel kostet 50 Mark. Doch auch weiterhin keine Hilfe von der Leitung. Im Gegenteil. Als bekannt wurde, weil wir es erst mal unter uns gemacht haben, dass wir erst mal zur RBI gehen, sind wir dort als Kollektiv etwas schlecht angesehen. Und das hat uns erstmal ein bisschen schockiert, gerade von der Parteileitung her. Ich finde, ein Parteisekretär darf nicht bloß zur Partei stehen, sondern muss sich genauso für die Rechten und Pflichten des Arbeiters einsetzen. Und als wir da draufhin eine dumme Bemerkung gekriegt haben, uns haben wir das nicht gefallen, dass es diese Diskussion gab, das ging sogar bis zur Konfliktkommission. Die Spulerinnen kämpften weiter und ließen sich durch niemanden und nichts aufhalten. Sie schrieben an den Zulieferbetrieb der Kopse in Leipzig und wurden vom Bundgarnwerk zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Plötzlich hatte auch die Leitung Zeit mitzufahren. Nicht nur die vom Werk, sondern sogar die vom Betrieb. Eine gemeinsame Reise, erzwungen sozusagen durch die Arbeiterinnen. Von den Leipziger Spinnerinnen erfahren die Kollegen aus Gaia, das Problem lässt sich eigentlich nicht lösen. Dafür sind die Ringspinnmaschinen, auf denen gesponnen wird, zu alt. Doch alle in der Runde wissen, der Zulieferbetrieb, also das Buntgarnwerk, ist verpflichtet, Qualität zu liefern. Der Ausweg, was die alte Technik nicht kann, soll mit handwerklichem Geschick der Spinnerinnen ausgeglichen werden. Obwohl ihre Leistung dadurch sinkt, ihre Norm herabgesetzt werden muss. Produktivität geht verloren. Ein Kompromiss, als Übergangslösung gedacht, bis 1991 neue Technik kommen soll. Dabei kämpft das Bundgarnwerk schon seit langem darum. Hatten Sie schon einmal die Möglichkeit, Maschinen zu kaufen, die hätten Sie aber in Valuta bezahlen müssen? Es gibt natürlich die verschiedensten Möglichkeiten, Maschinen zu erhalten. Erstmal, indem man eine Bilanz erhält. Die haben wir seit 1987 immer wieder gefordert. Wir haben auch welche erhalten, aber für andere Werke unseres Betriebes. Leipzig war eben noch nicht dran. Wir konnten allerdings oder hätten die Möglichkeit gehabt, voriges Jahr Maschinen zu kaufen, die im Export nach Mexiko wohl nicht abgegangen sind, und wir hätten aber diese in Valuta bezahlen müssen. Da aber unser Betrieb keinen Exports tätigt, wir also keine Valutamittel erwirtschaften können selbst, mussten wir diesen Vorschlag ablehnen. Wie finden Sie überhaupt so einen Vorschlag? Sie sind ein DDR-Betrieb und rechnen in DDR-Mark ab? Ja, ich muss sagen, es gibt Betriebe, bestimmt nicht wenige, die mit mehr Exports natürlich mehr Valuta erlösen und damit die Möglichkeit haben, dieses zu finanzieren. Natürlich ist das dann das Prinzip, wie das bei uns der Fall ist, dass natürlich der Ärmere immer der Arme bleibt, weil er eben auf diese Art keine neue Technik investieren kann. Leidtragende dieser Art Investitionspolitik sind die Arbeiterinnen. Nicht nur hier in Leipzig, sondern wie gesehen auch in Gaia. Eine neue Wirtschaftsstrategie wird auch auf diese Frage Antwort geben müssen. Doch erinnern wir uns noch einmal unseres Ausgangspunktes im Strumpfwerk und befragen dazu Werkleiter Nestler. Wir haben uns mehr oder weniger als Leitung damit abgefunden, dass eben die technischen Möglichkeiten fehlen und wir dann eben damit fertig werden müssen. Das Material wurde gebraucht, um unsere Erzeugnisse herstellen zu können und dadurch ist das eben so gekommen, wie es jetzt gekommen ist. Ich möchte noch hinzufügen, die Arbeiter waren ungeduldiger als wir. Sie haben sich nicht damit abgefunden und haben dann eben Schritte unternommen, um ihnen oder um sich selbst zu helfen. Mir scheint, das ist eins der schwersten Probleme gegenwärtig in unserem Lande. Verantwortliche Leitungen reagieren erst dann, wenn sie dazu gezwungen werden. Es müsste doch aber inzwischen eines klar sein. Wer nicht auf die Stimme des Volkes hört, wer Sorgen und berechtigte Forderungen ignoriert, der handelt sich damit eine Quittung ein, die er sich hinter den Spiegel stecken kann. Meine Damen und Herren, die Idee für unseren nächsten Beitrag erhielten wir von einer Hausgemeinschaft aus Berlin, genau gesagt Albert-Norden-Straße 234. Wir haben nicht in diesem Hause gedreht, weil in der Nachbarschaft das Problem viel deutlicher zu erkennen war. Umzug nach Berlin-Hellersdorf, endlich in die langersehnte Wohnung. Doch oft folgt dem Einzug ins vermeintliche Paradies die große Ernüchterung. Als wir aber festgestellt haben, nachdem wir eingezogen waren, dass es mal ein paar Tage feucht war und geregnet hatte, dass hier Feuchtigkeit in den Wänden ist, haben wir uns also kurzfristig entschlossen, das hier eben als Aufenthalts- und Wohnzimmer zu nehmen. Sie sehen ja hier in der Ecke, das Wasser steht drin, obwohl jetzt eben seit drei oder vier Tagen trocken draußen ist. Wenn sie mal kommen könnten, wenn es mal geregnet hat, dann schüttet das Wasser bis hier ungefähr in diese Richtung um. Die ganze Wand ist nass und der Schimmel zieht sich bis hier rüber. Sieht man ja auch, die Wand ist schimmelig. Leider ist das kein Einzelfall. Was die Kamera nur vage einfängt, wird durch genaues Messen zur Gewissheit. Von der Türkante zur Wand gemessen sind es 8,5 Zentimeter. Und wir messen jetzt mal hier unten. haben hier unten 13, das heißt eine Differenz von 4,5 Zentimeter. Hier oberhalb gemessen ist der Abstand ein Zentimeter, etwas tiefer bereits zweieinhalb Zentimeter und ganz unten gemessen sind es vier Zentimeter. Bauqualität aus dem Lot geraten. Durchzug im Thermofenster oben und unten Eine Heizung im Kinderzimmer mit dem Wärmewert eines Kühlaggregats. Und ein Balkon, der sich Zentimeter für Zentimeter von der Außenwand löst und gesperrt werden musste. Alles erlebten Wohnungen lediglich einer Wohnungsverwaltung. In Häusern, die höchstens ein Jahr alt sind. Und natürlich wurde in guter Qualität gebaut. Und damit es die Bürger auch glauben, bekommen sie es schwarz auf weiß zum Mietvertrag. Auf 5800 Wohnungen der Wohnungsverwaltung 6 entfallen aber 2700 Mängelanzeigen. Diese Liste gilt es noch abzuarbeiten. Die KWV als Mängelverwaltung. Und alles bei bescheinigter, guter Qualität. Viel Schreibarbeit also, viel Ärger, viel Frust. Die Mieter laufen sich die Füße wund und die KWV kann oft nicht helfen. Sie aber entscheidet, ob ein Block vermietet werden kann oder nicht. Dazu gibt es Abnahmen. Wie aber sehen diese aus? Die Abnahmeordnung legt eindeutig fest, nur solche Häuser dürfen überhaupt angeboten werden, die vollständig und nutzungsfähig sind und eine gute Qualität aufweisen. Dazu gehören auch die Außenanlagen. Wie aber soll hier ein Möbelwagen durchkommen? Der Block muss also abgelehnt werden. Man wollte uns hier vom BDK Berlin dazu zwingen, diesen Block in die Statistik hier zu bringen, aber wir haben ihn nicht in die Statistik gebracht. Die Statistik als Verschleierer der Wirklichkeit. Am Monatsende, wenn abgerechnet werden soll, häufen sich die Abnahmen. Die künftigen Hausmeister, für den Kontrollgang ohnehin nicht mit der nötigen Qualifikation ausgerüstet, hasten dann in wenigen Stunden durch vielleicht 100 Wohnungen. Wohnungen, in denen manchmal noch fleißig gearbeitet wird. Unfertige Sachen werden als fertig verkauft. Laut Abnahmeordnung müssen beanstandete Qualitätsmängel, sogenannte Restleistungen, bis zur Schlüsselübergabe beseitigt sein. Restleistung aber heißt nicht, ganze Häuserblocks erst nach der Abnahme fertigzustellen. Und abgenommene Bauten mit zum Beispiel sechsseitigen Mängelisten können wohl kaum als fertig gelten. Wir schreiben in jedem Fall als KBV der Abteilung Abnahme einer Abnahmeverweigerung. Und dann haben am Monat letzten Arbeitstag des Monats hier sogenannte Plan Sicherungsrunden um beim Stadtrat des Stadtbezirks stattgefunden, wo denn, ich möchte mal sagen, nicht mit der Ballkelle, sondern mit leichtem politischen Druck hier gezwungen wurde, hier zu unterschreiben. Mit welchen Argumenten denn? Das heißt hier, Argumenten, wir wollen die Bücher zuschlagen, den Plan erfüllen. Sie wurden also gezwungen. Wer hat Sie konkret gezwungen, diese Häuser abzunehmen? Das heißt ja, die Teilnehmer hier… Konkret mit Namen und Adresse, bitte. Die Teilnehmer hier, die dabei waren, war hier der Genosse Schurig vom Ministerium für Bauwesen, sowie hier der Hack Berlin. Das heißt, es ist unterschiedlich hier. Manchmal war der Genosse Rambke dabei oder der Genosse Reiner Preuß. So wie hier, das hat ja in den Räumen hier des Rathauses des Stadtbezirkes stattgefunden, hier der Genosse Lutze. Plansicherungsrunden, damit die Zahlen stimmen. Nicht in jedem Fall erwies sich der Rat des Stadtbezirkes als Vertreter seiner Bürger, sondern eher übergeordneter Organe. Aber in der Vergangenheit war es doch so, dass Häuser, die laut Abnahmeordnung noch nicht die entsprechende Qualität aufwiesen, durch die Abnahme gegangen sind. Das ist richtig, dass es da zu Problemen gekommen ist. Wir von unserer Seite aus haben darauf geachtet, dass zum Beispiel die in der Abnahmeordnung geltenden Bedingungen streng eingehalten worden sind. Das ist die Tatsache. Aus diesen und anderen Aktenvermerken jedoch geht eindeutig hervor, dass der Rat des Stadtbezirkes doch Druck auf die Abnahmen ausgeübt oder zumindest zugelassen hat. Wenn solche Schreiben vorliegen, dann ist das nicht in Verantwortung des Stadtbezirkes. Dann müssen Sie dort fragen, wo solche Schreiben entstanden sind. Gab es Druck oder gab es keinen? Es gab Druck, ist richtig, ja. Wie sah der aus? Der Druck sah so aus, dass die Orientierung kam, diese Bauten sind im Sinne der Planerfällung abzunehmen. Das ist sicherlich korrekt. Der Rat der Stadtbezirke schiebt die Vorwürfe also ganz einfach nach oben. Vielleicht ans Bauministerium? Ist die Erfolgsmeldung wichtiger als Qualitätsarbeit? Ich sehe das so, dass wir der Grundfrage der Qualität immer schon einen wichtigen Stellenwert beigemessen haben. Offensichtlich, und so vermute ich aus Ihrer Fragestellung, haben bestimmte Leitungsebenen ihre Verantwortung im Sinne der Umsetzung der Abnahmeordnung des Ministeriums für Bauwesen nicht voll wahrgenommen. Also ist auch das Bauministerium schuldlos. Trifft die Schuld vielleicht die Baubetriebe? Oder ist letzten Endes niemand dafür verantwortlich, dass Qualitätsfragen mehr und mehr eine Nebenrolle spielen? Die Bauleute, mit denen wir sprachen, sagten alle eins. Ja, wir wollen Qualität liefern. Aber wir müssen sie auch liefern können. Dazu gehört auch, dass die Bauarbeiter sich nicht zu Übergabeterminen pressen lassen, die technologisch nicht einzuhalten sind. Die Abnahmeordnung des Bauministeriums muss umgesetzt werden. Nicht mit Druck, sondern mit der Schaffung von Bedingungen. Für mich ergibt sich hieraus eine ganz klare Lehre. Niemand darf sich mehr in seinen Verantwortungsbereich hineinreden und hineinregieren lassen. Die Zeit ist allemal vorbei, in der das erlaubt war. Wir haben diese Praktiken jetzt teuer zu bezahlen, sowohl materiell als auch moralisch. Und ich glaube, Letzteres wiegt noch schwerer. Meine Damen und Herren, in unserer letzten Sendung zitierte mein Kollege Axel Kasper aus einem Brief, den uns Dresdner Arbeiter geschrieben hatten. Es ging um zwei Vorwürfe gegen ihre Betriebsleitung. Erstens wertvolle Maschinen für Valutamittel importiert stehen auf dem Hof und zweitens Ständer für Kühlschrankmotoren werden produziert, obwohl sie offenbar nicht gebraucht werden. Sechs Tage nach der Sendung waren wir am Ort. Die Maschinen stehen nicht mehr auf dem Hof. Sie hatten dort gestanden, weil das uralte Gemäuer nach einer plötzlichen Investitionsgenehmigung nicht rechtzeitig umgebaut werden konnte. Unterdessen werden sie installiert und entrostet. Zum zweiten Vorwurf. Die zusätzlich produzierten Ständer werden gebraucht. Der Vorlauf ist nötig, um später mit dem Finalproduzenten Schritt halten zu können. Aber viel zu spät fand die Betriebsleitung eine sichere Lagerungsmöglichkeit. Auch hier Entrosten, also Nacharbeit. Meine Damen und Herren, zum Schluss unserer Sendung möchte ich Sie mit zwei Requisiten bekannt machen oder ich müsste auch genauer sagen mit zwei Konsumgütern, die auch in unserem Postbüro ankamen. Verkäuferinnen des Konsumverkaufshauses aus Gardelegen schickten uns dieses Herrenoberhemd und was es damit auf sich hat, möchte ich Ihnen zeigen. Man beachte wirklich diesen linken Unterarm und kleine Preisfrage von mir nun. Ist es Volkskunst, ist es modisch hochaktuell oder ist es einfach eine Unverschämtheit? Ich will nicht verschweigen. Der Hersteller ist VEB Weltern Meiningen und dieses Konsumgut ist deklariert als erste Wahl. Nun zu unserem zweiten Schmuckstück. Dieses Blechgehäuse bekam Frau Christa Mondschein sozusagen als Beigabe beim Kauf eines Briefkastenschlosses. Sie schreibt uns, ein einzelnes war in den letzten drei Jahren in Zwickau nicht zu haben. Sie hat sich der Mühe unterzogen und hat dieses Gehäuse abgewogen. Es wiegt genau 1,6 Kilogramm Blech, die nun weggeworfen werden können. Ich meine, wenn sich auch da nicht ganz schnell etwas ändert, dann gute Nacht. Doch zunächst ein sehr freundliches Auf Wiedersehen. Liebe Zuschauer, sehen Sie nun ein Gespräch, das Wolfgang Reichardt gestern Abend mit Volkskammerpräsident Dr. Günther Maloida führte. Guten Abend, meine Damen und Herren. Heute tagte das Präsidium der Volkskammer. Aus diesem Anlass möchten wir den Präsidenten der Volkskammer, Dr. Günther Marleuda, befragen. Herr Präsident, was hat das Präsidium beschlossen? Das Präsidium hat sich besonders mit zwei Schwerpunkten heute beschäftigt. Erstens mit der Vorbereitung der 13. Plenartagung der Volkskammer, die am 1. Dezember stattfinden wird. Dabei geht es vor allem um die erste Lesung des neuen Reisegesetzes.

    12 Comments

    1. Das Interessante ist, das mich damals NICHTS dazu gebracht hätte, diese Sendung zu schauen. Nun zieh ich mir Eine nach der Anderen rein…
      Danke fürs einstellen.

    2. Wirklich sehr interessant diese Videos zu sehen. Ich bin 81 im Westen geboren und habe so von der damaligen DDR nichts mit bekommen. Ich kann mich nur noch dran erinnern den Mauerfall im TV gesehen zu haben.

    3. Ist schon lustig, wenn die Journalisten, die ein Jahr vorher noch mehr oder weniger gekuscht haben, plötzlich anfangen, andere nach ihrem Gewissen zu fragen. Ganz schön verlogen.

    4. 28:50 Sich über Qualität beschweren und dabei filmen wie der Maler ohne Sicherung die Balkonbrüstung streicht!😅😂 Herrlich… Da hätte es vom Arbeitsschutz direkt eine hinter die Ohren geben müssen!

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